Die Gaste
ÝKÝ AYLIK TÜRKÇE GAZETE
ISSN 2194-2668
DÝL VE EÐÝTÝMÝ DESTEKLEMEK ÝÇÝN ÝNÝSÝYATÝF
(Initiative zur Förderung von Sprache und Bildung e.V.)


  • ÖNCEKÝ YAZI
  • SONRAKÝ YAZI
  • 42. Sayý / Temmuz-Aralýk 2016



    Die Gaste 42. Sayý / Temmuz-Aralýk  2016

     
     

    Die Gaste

    ÝKÝ AYLIK TÜRKÇE GAZETE

    ISSN: 2194-2668

    DÝL VE EÐÝTÝMÝ DESTEKLEMEK ÝÇÝN
    ÝNÝSÝYATÝF

    Yayýn Sorumlusu (ViSdP):
    Engin Kunter


    diegaste@yahoo.com

    Anerkennung als zentrale Motivation (bildungs-)biographischer
    Entscheidungen
    [Eðitim Biyografisine Dayalý Kararlarýnýn Merkezi Motivasyon Olarak Tanýnmasý]




    Martina MASUREK
    Universität zu Köln

    In der Diskussion um Bildungsgerechtigkeit konnten bereits viele Faktoren und Kategorien herausgearbeitet werden, die den Zugang zu Bildung und somit letztlich die Gestaltung von Lebenswegen beeinflussen. So wurde mithilfe des Habituskonzepts von Pierre Bourdieu deutlich, dass persönliche Verhaltensweisen sozial hervorgebracht und folglich abhängig vom Standpunkt im sozialen Raum und den dort gemachten Erfahrungen sind (vgl. Bourdieu 2005, S.33). Die darauf aufbauende Erkenntnis, dass die soziale Herkunft einer Person beispielsweise ausschlaggebend für ihre Möglichkeit und Fähigkeit erfolgreich zu studieren ist, stellt mittlerweile keine Neuigkeit mehr dar (vgl. Schmitt 2010, S. 63). Neben der sozialen Herkunft konnten im Rahmen der PISA-Studie Korrelationen zwischen Bildungserfolg und Geschlecht sowie dem Migrationshintergrund der Schüler_innen festgestellt werden (vgl. Baumert et al. 2001). Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse werden im vorliegenden Artikel solche Faktoren betrachtet, die sich begünstigend auf (bildungs-)biographische Entwicklungen auswirken, zudem wird das Phänomen der sozialen Ungleichheit mit Blick auf den Zugang zur Hochschulbildung konkretisiert.

    Im Rahmen der Forschungsarbeit „Über die Gestaltung von Lebenswegen. Biographien von Studentinnen der Universität zu Köln“ von Martina Benischke (heute Masurek) wurden Interviews mit drei Studentinnen an der Universität zu Köln (UzK) durchgeführt. Alle sind sogenannte Studierende der ersten Generation - eine Zielgruppe, die zunehmend von Programmen, Artikeln und Initiativen im deutschen Hochschulraum thematisiert und angesprochen wird. Die Interviewten waren Teilnehmerinnen des Mentoringprogramms „Mentoring für Studentinnen der ‚1.Generation-Universität‘ und Mentor_innen aus dem akademischen Mittelbau“ das in den Jahren 2012-2014 an der UzK durchgeführt und mit dem Jenny-Gusyk-Preis (Preis der Gleichstellungsbeauftragten für gleichstellungsfördernde Strukturmaßnahmen an der UzK) ausgezeichnet wurde. Die Konzeption dieses Projekts knüpfte an die Erkenntnisse über die Korrelation zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg an und konnte mithilfe der Unterstützung benachteiligter Studentinnen einen Beitrag zum Abbau sozialer Ungleichheit an der Hochschule leisten. Gleichzeitig wurde die Idee des Mentoring zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses an der UzK aufgegriffen (vgl. Nikodem et al. 2011 und Benischke 2016, 220f.).

    Aufgrund fehlender akademischer Vorerfahrungen in der Familie erschienen die Biographien der ausgewählten jungen Frauen als besonders geeignet, um Strukturen aufzudecken, die (bildungs-)biographischen Entscheidungen zugrunde liegen. So berichtete beispielsweise jede der drei jungen Frauen von einer Person, deren Anwesenheit als Motivation für die Aufnahme des Studiums ausschlaggebend war. Diesen Personen ist gemein, dass sie stets zusammen mit Emotionen der Freude und des Wohlbefindens erwähnt werden. War in allen Interviews diese Kategorie zu finden, so unterscheidet sie sich hinsichtlich der Merkmalsausprägungen Quantität des Kontaktes und des verwandtschaftlichen Verhältnisses (siehe Tabelle1). Tablo 1

    Mithilfe dieser Kategorie konnte gezeigt werden, dass es des Zuspruchs Anderer und des Wissens um die Anerkennung der eigenen Entscheidungen und Handlungen bedarf, damit diese als erstrebenswert wahr- und letztendlich vorgenommen werden können.

    Mittels biographisch-narrativer Interviews und systemischer Gesprächsführung als Erhebungsmethode konnte eine besondere Nähe der Forschungsergebnisse zum gewonnenen Datenmaterial einerseits und zum Erleben der Interviewten andererseits sichergestellt werden. So wurden systemische Interventionen und Grundhaltungen wie 1) das Erstellen von Genogrammen oder 2) die Analyse von Sprachbildern vorgenommen um ein intensives Nachempfinden der individuell wahrgenommenen Wirklichkeit der Interviewten zu ermöglichen.

    1) Inwiefern Strukturen, die zunächst unscheinbar oder auch gar nicht sichtbar waren, handlungsweisend für die Gestaltung von (Bildungs-)Biographien sein können, wurde anhand der Betrachtung familiärer Strukturen und damit einhergehender Anerkennung der Position im Familiengefüge deutlich. Die biographische Konstellation der Studentinnen und das damit verbundene Familiengeflecht sind und waren für ihr Handeln immer wieder richtungsweisend: „Meine Eltern haben SO VIEL für mich geMACHT und ich will eigentlich, ich will das, ich kann es ihnen nich´ so ZURÜCKGEBEN, aber ähm, dass sie wenigstens SEHEN, dass ich was VERSUCHE und dass sie STOLZ auf mich sein können“ (Benischke 2014, Interview II). Die Wahl des Studiums erscheint somit als Möglichkeit der Aufrechterhaltung und Fortführung familiärer Strukturen und Erwartungen.

    2) Durch die Betrachtung von Sprachbildern können emotionale Zusammenhänge und individuelle Bewertungen deutlich werden, die durch eine rein sachliche Analyse nicht zum Vorschein kämen (vgl. Lakoff/Johnson 2011, 136ff.) – dies veranlasste die Autorin dazu, die Kategorie Metapher soziologisch zu generieren und mithilfe kleiner Figuren zu visualisieren (Abb. 1-3). Resim 1 Resim 2 Resim 3

    Alle Studentinnen machten für die Beschreibung ihrer Bildungs- bzw. gesamten Lebensbiographie von Metaphern der Bewegung Gebrauch. Dabei unterschieden sich die Erzählweisen im Erleben dieser Bewegung. Die verwendeten Sprachbilder in Interview I und in Interview II beschreiben vorwärts gerichtete Bewegungen. „Der Übergang von der Realschule zum Gymnasium war ziemlich KRASS. Also ich bin da einfach, ich hab' da ERST den Anschluss nich' gefunden“ (Benischke 2014, Interview I). „Ich möchte GUT SEIN und vorANkommen“ (ebd., Interview II).

    In Interview III erinnern die gemachten Erfahrungen in ihrer bildhaften Darstellung vielmehr an eine Entdeckungsreise: „Also ich hatte 'ne IDEE, wohin es mich treiben sollte … aber * nicht so, dass ich sagte … da gäb´s kein zurückrudern für mich" (ebd., Interview III).

    Als Schlüsselkategorie kristallisierte sich im Verlauf der Forschungsarbeit Anerkennung heraus – sie erschien als das „was in einem Verhaltensmuster für die Substanz des Datenmaterials insgesamt steht“ (Strauss 1998, 66). Im Rahmen der Forschungsarbeit orientiert sich das zugrundeliegende Begriffsverständnis an intersubjektiven Aspekten: Anerkennung stellt demnach eine notwendige Voraussetzung zur Entwicklung und Existenz des Ichs dar und findet auf einer zwischenmenschlichen Ebene statt (vgl. Butler 2007, 92 und Honneth 1992). Zudem kann sie als zeitlose Bedingung für ein positives Selbstverhältnis bezeichnet werden, die einer ständigen Wiederholung bedarf. Eine sozialpsychologische Sichtweise auf Anerkennung wie sie Abraham Maslow mit seiner Bedürfnispyramide bietet, verwendet den Begriff als Synonym für Akzeptanz, Lob oder Respekt (vgl. Boeree 2006, 4). Diese Betrachtung verweist neben der existenzstiftenden Bedeutung von Anerkennung auf konkrete Verhaltensweisen. Beide Betrachtungsweisen wurden in der Forschungsarbeit berücksichtigt, da sowohl das Bedürfnis nach Anerkennung in Form von Lob als auch die existenzstiftende Wirkung auf einer latenten Ebene herausgearbeitet werden konnte.

    Abschließend dient der folgende Ausblick dem Anstoß für weitere Forschung und Überlegungen: Das permanente Verlangen nach Anerkennung erfordert es, dass seine existenzielle Bedeutung in das Bewusstsein jeder_jedes Einzelnen gelangt – verbunden mit einem Interesse am Wohl der Mitmenschen. Als ein Miteinander der Anerkennung sei dieses Bewusstsein bezeichnet, welches über den Bereich pädagogischer Interventionen hinausgeht, indem es das Handeln jeder_jedes Einzelnen bestimmt: Ein Bewusstsein dafür, dass jede Begegnung mit einer anderen Person das Potential besitzt, deren oder den eigenen Lebensweg zu gestalten und dass dies unabhängig von sozialem Status oder der Quantität der Begegnung(en) geschehen kann. Wie die Forschungsergebnisse zeigen, können auf diese Weise Möglichkeitsräume eröffnet und (bildungs-)biographische Entwicklungen vorstellbar und angestoßen werden.

    Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass ein Miteinander der Anerkennung Unterstützungsprogramme wie das beschriebene Mentoringprogramm und die Schaffung neuer Strukturen für die Implementierung des inklusiven Gedankens nicht ersetzen kann. Vielmehr sollte dieses Bewusstsein als Grundlage dienen, auf der solche Überlegungen stattfinden können.
         
         
         
         
        Literatur
        Baumert, J., Klieme, E., Neubrand, M., Prenzel, M., Schiefele, U., Schneider, W., Stanat, P., Tillmann, K.-J., & Weiß, M. (Hrsg.). (2001). PISA 2000: Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationa len Vergleich. Opladen: Leske + Budrich.
        Benischke, M. (2014). Über die Gestaltung von Lebenswegen. Biographien von Studentinnen der Universität zu Köln. Unveröffentlichte Masterthesis.
        Benischke, M. (2016). (Bildungs-)Biographien von Studentinnen der ersten Generation an der Universität zu Köln. Über die Gestaltung von Lebenswegen. In: Ottersbach, Markus; Platte, Andrea; Rosen, Lisa (Hg.): Soziale Ungleichheiten als Herausforderung für inklusive Bildung. Springer VS.
        Boeree, George C. (2006) Persönlichtkeitstheorien. Abraham Maslow [1908-1970]. http://www.social-psychology.de/do/PT_maslow.pdf (engl. Original von 1998). Zugegriffen 01.09.2016.
        Bourdieu, P. (2005). Die verborgenen Mechanismen der Macht. Schriften zu Politik&Kultur1. Hamburg: VSA.
        Honneth, Axel (1992): Kampf um Anerkennung. Zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte. 1. Aufl., Frankfurt am Main: Suhrkamp.
        Lakoff, G., & Johnson, M. (2011). Leben in Metaphern. Konstrukt und Gebrauch von Sprachbildern (7. Aufl.). Heidelberg: Carl-Auer Verlag (engl. Original von 1980).
        Nikodem, C., Kleinau, E., & Völker, S. (2011). Mentoring für Studentinnen der ‚1. Generation Universität‘. Unveröffentlicher Antrag.
        Schmitt, L. (2010). Bestellt und nicht abgeholt. Soziale Ungleichheit und Habitus-Struktur-Konflikte im Studium. Wiesbaden: VS Verlag.
        Strauss, A. (1998). Grundlagen qualitativer Sozialforschung (2. Aufl.). München: W. Fink Verlag.